Reckahner Museen

Rochow-Museum und Schulmuseum Reckahn

Das Holländische Viertel in Potsdam

Eine Zeitreise mit Fotografien von Eberhard Thonfeld und Arbeiten des Malers Wolfgang Liebert - Sonderaustellung vom 16.09. bis 07.12.2025

Neueröffnete Bäckerei Frank Thäle, Benkertstraße 19, 1978, Fotografie E. Thonfeld

 Die Vernissage am 16. September 2025 fand im Beisein der Künstler im Saal des Rochow-Museums Reckahn mit kleinem Abendvortrag von Pr. Dr. Jürgen Overhoff (Münster) unter dem Titel „Jagdschloss Stern und das Holländische Viertel in Potsdam: Vorbilder niederländischer Wohnkultur“, einer Einführung in die Ausstellung durch Museumsleiterin Dr. Silke Siebrecht-Grabig und anschließendem Rundgang statt.


Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 10 – 16 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage von 10 – 17 Uhr, Museumscafé am Wochenende ab 13.30 Uhr


Eintritt: Spende für das Rochow-Museum Reckahn


Die Ausstellung wird gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, dem Landkreis Potsdam-Mittelmark und der Gemeinde Kloster Lehnin im Rahmen des Programms “Regionale Kulturelle Ankerpunkte im ländlichen Raum“.


Einführung
Das Holländische Viertel in Potsdam wurde ab 1733 für holländische Handwerker, Baufachleute und deren Familien errichtet, die König Friedrich Wilhelm I. auf seiner Hollandreise angeworben hatte. Die durch Johann Boumann errichteten etwa 150 Häuser im holländischen Stil waren Teil der „Zweiten barocken Stadterweiterung“, die unter der Regentschaft des Thronfolgers Friedich II. fertiggestellt wurden.
Das Potsdamer Wohnviertel ist ein besonderes Beispiel für den intensiven Kulturaustausch zwischen Brandenburg und den Niederlanden, der bereits im Mittelalter begann. An vielen Orten in Brandenburg finden sich Zeugnisse holländischer Besiedlung und Architektur, wie der Fläming, das Schloss Oranienburg bei Berlin, das Jagdschloss Stern bei Potsdam oder das Holländische Etablissement im Neuen Garten von Potsdam.
Ende der 1980er Jahre befand sich das Holländische Viertel in Potsdam in einem traurigen Zustand. Zuerst drohte der komplette Abriss des Quartiers, dann wurde es 1979 unter Denkmalschutz gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren schon viele Wohnungen freigezogen, aber die Sanierung ging nicht so schnell voran. Es dauerte noch drei Jahrzehnte, bis die Sanierungsphase abgeschlossen war. Heute ist das Viertel eines der attraktivsten Wohn- und Geschäftsquartiere der Landeshauptstadt Potsdam und als touristische Sehenswürdigkeit in Deutschland und Europa einzigartig.
Der Fotograf Eberhard Thonfeld und der Maler Wolfgang Liebert dokumentierten unabhängig voneinander die Zeit des baulichen Verfalls sowie die im Holländischen Viertel lebenden und arbeitenden Menschen durch Fotografien, Skizzen, Pastelle und Gemälde künstlerisch.
Die erstmals in einer gemeinsamen Ausstellung präsentierten sensiblen und poetischen Arbeiten laden ein zu einer Zeitreise in die 1970er und 1980er Jahre und veranschaulichen gleichzeitig den Modellcharakter der niederländischen Baukultur für Potsdam und Brandenburg bis heute.
Anlass der Reckahner Ausstellung ist eine Tagung zur Niederlande-Rezeption im 18. Jahrhundert, welche den Dynamiken zwischen den Niederlanden und Deutschland als einen maßgeblichen Motor von politischen, religiösen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in der Epoche der Aufklärung nachgeht.
Dank der Idee von Jürgen Overhoff und der Vermittlung von Susanne Marok aus dem Jan Boumann Haus, das Museum des Fördervereins zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam e.V. sowie Judith Granzow vom Potsdam Museum kam der Kontakt zu Eberhard Thonfeld zustande. Letzterer schlug vor, seine Fotografien mit den Arbeiten von Wolfgang Liebert zu kombinieren.
 
Eberhard Thonfeld
„Wenn ich in die Stadt wollte […], dann bin ich durch das Holländische Viertel gegangen und das war faszinierend, weil man plötzlich in eine ganz andere Welt eintauchte.“
„Die alten Leute hingen alle dort fest, weil sie Besitz hatten oder schon immer dort gelebt und ihr Geschäft betrieben haben. Und die jungen Leute, die wollten alle weg, die wollten an den Rand der Stadt, in diese wunderbaren, prächtigen Neubaugebiete.“ (E. Thonfeld, 2022)
Eberhard Thonfeld wurde 1952 in Jena geboren und lebt seit Mitte der 1970er Jahre in Potsdam. Er machte das Holländische Viertel zum Thema seiner Diplomarbeit im Rahmen seines Fotografie-Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Während seiner Arbeit im Holländischen Viertel musste Eberhard Thonfeld erkennen, dass er einen historischen Zerfallsprozess dokumentiert. Neben den architektonischen Besonderheiten der Straßenzüge und Häuser, den Überresten früherer Nutzungen durch verblasste Fassadenbeschriftungen und Firmenschilder, baut Thonfeld in langen Gesprächen Vertrauen zu einigen Menschen auf, deren ganz persönlichen Lebensraum er fotografieren darf. Diese Porträts spiegeln nicht nur die jeweilige Lebenssituation im Viertel wider, sie vermitteln ein Gefühl für die damaligen Zeit und erzählen Geschichten über die Menschen im Holländischen Viertel.
Eberhard Thonfeld widmete sich nach seinem Diplom der Sportfotografie. Bis 1990 arbeitete er im Sportverlag Berlin als Fotograf, dann in der Fotoagentur Sven Simon als Büroleiter in Berlin. Im Jahr 1993 gründete er die Fotoagentur camera4 mit und leitete diese bis 2020. Er lebt und arbeitet in Potsdam. 2021 übergab Eberhard Thonfeld dem Potsdam Museum das insgesamt 255 Fotos umfassende Konvolut über das Holländische Viertel von 1977/1978.
 


Wolfgang Liebert
„Insgesamt 12 Jahre führte mich mein Schulweg […] quer durch das Holländische Viertel […].“
„Mitte der 1980er Jahre offenbarte sich der Zerfall des Viertels immer verheerender. In meinen Empfindungen war ich tief verletzt und berührt, hatte ich doch so schöne Erinnerungen und Bilder in mir.“(W. Liebert, 2020)
Wolfgang Liebert wurde 1944 in Meseritz/Grenzmark Posen-Westpreußen geboren und lebt seit 1949 in Potsdam. Nach einer Facharbeiterlehre als Baumaler am Potsdamer Bauhof begann er 1964 das Studium der Malerei und Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Ab 1973 war er als freischaffender Maler und Grafiker tätig, leitete eine Förderklasse für Malerei und Grafik und unternahm zahlreiche Studienreisen.
Auf seinen Wegen durch die Stadt Potsdam bemerkte Wolfgang Liebert den zunehmenden Verfall des in seiner Kindheit so schönen Holländischen Viertels. Er erinnerte sich an Zeichnungen und Pastelle des verfallenen Fischerkiezes von dem Berliner Maler Prof. Otto Nagel und beschloss, den Zustand des Holländischen Viertels künstlerisch zu dokumentieren. Im Verlauf von fünf Jahren entstand eine Serie von Handzeichnungen, Pastellen und Ölgemälden von Straßenzügen, Häuseren, Innenhöfen, Abrisslücken und Interieurs.
1995 wurde Wolfgang Liebert Fachschullehrer an der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin-Schöneweide und lehrte an der später neugegründeten Fachhochschule im Bereich Restaurierung in der Denkmalpflege. Er erhielt den Fontane-Preis für Kunst und Literatur der Stadt Potsdam und den Jugend-Kunstpreis der DDR. In fast 70 Sonderausstellungen in Deutschland und Polen präsentierte Wolfgang Liebert bisher seine Arbeiten. Er lebt und arbeitet in Potsdam.